Eurovision Song Contest

Der Eurovision Song Contest (ESC) ist eigentlich eine Schweizer Erfindung. Wie kam das, was war die Idee hinter der Veranstaltung – und weshalb kann die Schweiz plötzlich regelmässig vorne mittun? Hier gibt’s alle Informationen.

Nemo vertritt die Schweiz am ESC 2024 ©Keystone / Ennio Lanza ©Keystone / Ennio Lanza

Die Geschichte des ESC

Die Idee zum «Grand Prix Eurovision de la Chanson Européenne», wie die Veranstaltung ursprünglich und bis 2001 noch hiess, kam 1955 von Marcel Bezençon, dem damaligen Generaldirektor der Schweizerischen Rundfunkgesellschaft (SRG) und Vorsitzenden der Programmkommission der Europäischen Rundfunkunion, der European Broadcasting Union (EBU). Während einer Konferenz der Programmkommission Ende Januar 1955 in Monaco trug er die Idee zu einem europäischen Schlagerwettstreit nach dem Vorbild des Sanremo-Festivals (seit 1951) in Italien vor. 

Am 19. Oktober 1955 beschloss die Generalversammlung der EBU die Durchführung eines «Grand Prix Eurovision de la Chanson Européenne». Die erste Ausgabe fand 1956 in Lugano statt. Zu Ehren des Erfinders wird seit 2002 jährlich während des Eurovision Song Contests der Marcel-Bezençon-Preis für das beste Lied, die beste künstlerische Darbietung und die beste Komposition verliehen. Die Preisträger in den drei Kategorien werden von akkreditierten Journalist:innen, den Kommentator:innen und den teilnehmenden Komponist:innen gewählt.

Der Veranstaltungsmodus

Seit 1957 entsendet jede teilnehmende Rundfunkanstalt ein Lied zum ESC. Der Wettbewerb findet seit 1958 in der Regel im Land des Vorjahressiegers statt; nur wenige Male wurde davon abgewichen, zuletzt 2023. Da die Zahl der Teilnehmerländer durch den Beitritt vieler osteuropäischer Länder zur EBU stieg, fand von 2004 bis 2007 eine Vorausscheidung statt. Seit 2008 werden zwei als Halbfinale bezeichnete Vorausscheidungen ausgetragen.

Halbfinale und Finale bestehen aus je zwei Teilen: Im etwa zweistündigen ersten Teil präsentieren die Teilnehmer:innen ihren Beitrag, im zweiten Teil vergeben die Teilnehmerländer ihre Punkte. Im Halbfinale dauert dieser Teil etwa 15 Minuten, da die Finalist:innen dort in zufälliger Reihenfolge und ohne Verlesen der Einzelwertungen aus den teilnehmenden Ländern bekannt gegeben werden. Im Finale dauert der zweite Teil rund eine Stunde. Die Überleitung von Teil eins zu Teil zwei, somit der Zeitraum, in dem die Zuschauer:innen ihre Stimmen abgeben können, dauert ungefähr 15 Minuten und wird auf der Bühne durch ein Showprogramm überbrückt.

Die teilnehmenden Länder

Am ESC teilnahmeberechtigt sind alle Länder, die Mitglied der EBU sind. Dies sind nebst den meisten europäischen Ländern auch einige nichteuropäische Länder im Mittelmeerraum. Von den ausschliesslich ausserhalb Europas liegenden EBU-Mitgliedern hat lange nur Israel regelmässig am ESC teilgenommen, seit den 2000er Jahren zudem Georgien, Armenien und Aserbaidschan. Wegen der Beliebtheit der Show in Australien darf das Land seit 2015 als «assoziiertes EBU-Mitglied» am ESC teilnehmen.

Jedes EBU-Mitglied hat das Recht auf die Teilnahme am ESC, es besteht dazu aber keine Verpflichtung. Dadurch kann sich die Anzahl der Teilnehmenden von Jahr zu Jahr ändern. Am ersten Wettbewerb 1956 nahmen sieben Länder mit je zwei Beiträgen teil: Das Gastgeberland Schweiz sowie die Niederlande, Belgien, Deutschland, Frankreich, Luxemburg und Italien. In den folgenden Jahren zeigten zunehmend mehr Länder Interesse am Wettbewerb. Jugoslawien war EBU-Mitglied und nahm von 1961 bis 1991 als einziges sozialistisches Land regelmässig teil.

Seit der EBU-Erweiterung ab 1990 können auch die mittel- und osteuropäischen Länder teilnehmen, die zuvor in der Intervision zusammengeschlossen waren. Um dennoch die Dauer der Veranstaltung nicht erheblich zu verlängern, wurde die Zahl der Teilnehmenden eingeschränkt, wodurch nicht mehr alle Länder jedes Jahr teilnehmen konnten. Im Jahr 1993 gab es einen separaten osteuropäischen Vorentscheid, bei dem sieben osteuropäische Länder um drei Startplätze konkurrierten. Von 1994 an wurde die Teilnehmerzahl auf 25 (im Jahr 1995 auf 23) begrenzt. Die besten 19 Länder qualifizierten sich für das kommende Jahr, die übrigen mussten ein Jahr aussetzen.

Übersicht der teilnehmenden Länder am Eurovision Song Contest 2024 ©Eurofans Radio

1996 wurde aufgrund weiter gestiegener Anmeldezahlen ein neues Verfahren eingeführt. Alle Angemeldeten - mit Ausnahme des norwegischen Heimbeitrages - mussten sich einer internen Audio-Vorauswahl durch eine Jury stellen. Nach dem Ausscheiden des deutschen Beitrags bei dieser Vorauswahl, drohte Deutschland, zur Finanzierung weiterer Veranstaltungen nicht mehr beizutragen. Daraufhin wurde beschlossen, dass die vier – seit 2011 die fünf Mitglieder – die den grössten Anteil am EBU-Etat tragen, von 1999 an jährlich teilnehmen dürfen. Damit waren Deutschland, Frankreich, das Vereinigte Königreich und Spanien sowie (seit seiner Rückkehr in den ESC im Jahr 2011) auch Italien unabhängig von ihrer Platzierung im Vorjahr automatisch teilnahmeberechtigt. Diese Länder werden als die grossen Fünf («The Big Five», bis 2010 «The Big Four») bezeichnet. Seit der Einführung von Vorausscheidungen 2004 bedeutet diese Regelung, dass diese Länder ohne Vorausscheidung direkt für das Finale qualifiziert sind. Dieses Sonderrecht wird von einigen teilnehmenden Ländern als «Erkaufen der Finalteilnahme» kritisiert. Seit 2013 ist diese Regelung ein Grund für die Nicht-Teilnahme der Türkei. 

Bis heute haben alle europäischen Staaten – ausser Liechtenstein und der Vatikan – am ESC teilgenommen. Im arabischen Kulturraum sind Marokko, Algerien, Tunesien, Libyen, Ägypten, Jordanien und der Libanon EBU-Mitglieder; davon ist Marokko das einzige Land, das bisher teilnahm (Wettbewerb 1980). Australien trat 2015 laut Aussage der EBU als einmaliger Jubiläumsgast an und war sofort für das Finale qualifiziert. Seit 2016 nimmt Australien als assoziiertes EBU-Mitglied weiter am Wettbewerb teil, muss sich dafür jedoch in einem Halbfinale qualifizieren.

Die Vorausscheidungen

Um wieder jedem Land jährlich die Teilnahme zu ermöglichen, werden seit 2004 Vorausscheidungen ausgetragen, an denen alle aktiven Mitglieder der EBU (bis auf die «Big Five») teilnehmen können. Von 2004 bis 2007 wurde eine Vorausscheidung ausgetragen, aus der die zehn Bestplatzierten sowie die «Big Four», das ausrichtende Land und die Plätze zwei bis zehn des Vorjahres ins Finale kamen. Seit 2008 finden zwei Vorausscheidungen («Halbfinale») statt, aus denen sich die jeweils zehn Bestplatzierten neben den «Big Four» (seit 2011 «Big Five») und dem Ausrichter für das Finale qualifizieren. Durch die Aufteilung kulturell, geografisch und sprachlich verwandter Länder auf verschiedene Halbfinale sollen Vorteile innerhalb der Punktevergabe, die durch kulturelle Nähe entstehen können, reduziert werden.

Die Schweiz am ESC

Die Schweiz nahm 1956 an der ersten Ausgabe des ESC in Lugano teil und konnte diesen auf Anhieb gewinnen. Lys Assia gewann mit ihrem Lied «Refrain». Sie vertrat die Schweiz auch 1957, belegte dort aber nur Platz 8 von 10. Trotz dieses geringen Erfolges wurde Lys Assia auch 1958 wiederum zum Wettbewerb geschickt. Dieses Mal war sie wieder erfolgreicher und belegte Platz 2 mit 24 Punkten, es fehlten lediglich drei Punkte zum Sieg. 1959 nahm dann erstmals eine andere Interpretin als Lys Assia am Song Contest teil, nämlich Christa Williams (Platz 4).

1964 folgte dann der erste Schweizer Tiefpunkt im Wettbewerb: Die Schweizer Sängerin Anita Traversi landete mit ihrem Lied «I miei pensieri» mit null Punkten auf den letzten Platz, gemeinsam mit Deutschland, Jugoslawien und Portugal. 1967 folgte gleich schon der nächste Tiefpunkt: Sängerin Géraldine landete mit null Punkten auf dem letzten Platz, diesmal allerdings allein. Es folgte eine längere Durststrecke. 1969 belegte dann die Sängerin Paola del Medico, die spätere Paola Felix, mit dem Lied «Bonjour, bonjour» den 5. Platz von 16. 1970 toppte der Waadtländer Sänger Henri Dès diese Platzierung sogar noch und landete auf Platz 4 von 12.

Lys Assia am ESC 1956 ©Keystone

1971 war’s aber schon wieder vorbei mit der Erfolgswelle, als das Trio Peter, Sue & Marc lediglich im Mittelfeld auf Platz 12 von 18 landeten. 1972 hingegen schaffte es die Sängerin Véronique Müller wieder unter die besten Zehn mit Platz 8 von 18. Ab 1975 folgte sodann der bisher erfolgreichste Zeitraum der Schweiz beim ESC, indem sich das Land immer unter den besten Zehn platzieren konnte: 1975 Platz 6 von Simone Drexel mit «Mikado», 1976 die Revanche des Trios Peter, Sue & Marc mit «Djambo, Djambo» auf Platz 4, 1977 die Pepe Lienhard Band mit «Swiss Lady» auf Platz 6 und 1978 Carole Vinci mit «Vivre» auf Platz 9.

Pepe Lienhard Band vor dem Flug an den ESC 1977 ©Keystone

Peter, Sue & Marc vor dem Flug an den ESC 1971 ©Keystone

1979 trat das Trio Peter, Sue & Marc bereits zum dritten Mal für die Schweiz an und holte sich dieses Mal noch das Trio Pfuri, Gorps & Kniri hinzu. Mit dem Lied «Trödler & Co» landeten sie auf Platz 10. 1980 erreichte die Sängerin Paola mit «Cinéma» Platz 4 und 1981 trat das Trio Peter, Sue & Marc bereits zum vierten Mal innerhalb von zehn Jahren für die Schweiz an. Dieses Mal holten sie mit «Io senza te» Platz 4 und damit ihre beste Platzierung im Wettbewerb.

1982 folgte dann die beste Platzierung seit 19 Jahren, als die Sängerin Arlette Zola mit «Amour on t’aime» Platz 3 belegte. Damit war’s dann aber vorläufig vorbei mit den Erfolgen der Schweiz am ESC.

Céline Dion wird Thema im Bundesrat

1986 folgte mit der Sängerin Daniela Simons und dem Lied «Pas pour moi» eine grosse Überraschung: Platz 2 und somit das beste Ergebnis seit 1963. Der grosse Kracher folgte dann aber 1988, als die damals in Europa noch unbekannte Sängerin Céline Dion mit «Ne partez pas sans moi» und bloss einem Punkt Vorsprung auf England den zweiten und bisher letzten Sieg der Schweiz erreichen konnte. Die Entscheidung fiel mit der allerletzten Punktevergabe: Während die Briten bereits ihren sicher geglaubten Sieg feierten, gab Jugoslawien der Schweiz sechs Punkte, aber keinen an England.

Das Sieger-Lied für die Schweiz war von Atilla Şereftuğ komponiert worden, der Text stammte von Nella Martinetti. Şereftuğ hatte das Lied nach eigenen Angaben in bloss 12 Minuten geschrieben. Céline Dion konnte für die Schweiz starten, weil zu jener Zeit gemäss ESC-Reglement zwei von drei Elementen des Songs aus dem jeweiligen Land stammen musste: Komponist, Texter oder Interpret. Nationalrat Markus Ruf von den Schweizer Demokraten richtete hierzu am 20. Juni 1988 gar eine offizielle Frage an den Bundesrat. Er wollte wissen wie es sich nach Ansicht des Rates rechtfertigen lasse, dass eine Kanadierin die Schweiz am ESC vertrete. Bundesrat Adolf Ogi parierte Rufs Anfrage gewohnt humorvoll damit, dass der Bundesrat diese Frage gottlob nicht auch noch in einem Reglement oder in einer Verordnung beantworten müsse. Man könne dies glücklicherweise anderen überlassen. Das Reglement des ESC ermögliche dies. Ogi wörtlich: «Dieses Jahr schrieb die Tessinerin Nella Martinetti den Text. So unschweizerisch, Herr Nationalrat Ruf, konnte der Schweizer Beitrag demnach nicht gewesen sein. Vorgetragen wurde das Lied von einer Kanadierin. Das mag tatsächlich erstaunen. Céline Dion hat es aber sehr gut gemacht (Lacher im Nationalrat), sonst hätte der Schweizer Beitrag nicht gesiegt. Im Übrigen wird dasjenige Lied vorgetragen, das in den nationalen Ausscheidungen gesiegt hat. Der Bundesrat hat - wie gesagt - keinen Sitz in der Jury. Ihren Einfluss, Herr Nationalrat Ruf, müssen Sie dort geltend machen oder - noch besser - gleich selbst in dieser Jury Einsitz nehmen! Im Übrigen: Welch glückliches Land, in dessen Parlament noch eine solch weltbewegende Frage wie die Herkunft einer Schlagersängerin diskutiert werden kann!» (heiterer Beifall aus dem Rat)
Markus Ruf mochte sich damit etwas düpiert noch nicht zufriedengeben und fragte trotzig nach, ob man denn nicht glaube, dass es auch in der Schweiz sehr gute Sänger:innen gäbe, ob man ein gewisses Verständnis dafür habe, dass nicht alle Schweizer:innen über die Vertretung glücklich seien und wie er, Dölf Ogi, reagieren würde, wenn ein Österreicher für die Schweiz an der nächsten Ski-WM starten würde. Ogi kurz und knapp: «Herr Nationalrat Ruf, zur letzten Frage: Nein, kein Österreicher! Zu den anderen Fragen zweimal Ja.»

Für Céline Dion war der ESC-Sieg in Dublin ein wichtiger Schritt auf ihrem Weg zum Weltstar.

Céline Dion (rechts), Nella Martinetti (mitte) und Atilla Şereftuğ (links) am ESC 1988 ©Keystone

Der ESC wieder in der Schweiz

Nach dem Erfolg von Céline Dion war die Schweiz am 6. Mai 1989 Ausrichterin des Song Contests im Palais de Beaulieu (Messehallen sechs und sieben) in Lausanne. Moderiert wurde der Anlass von Lolita Morena und Jacques Deschenaux, dies auf Englisch, Französisch, Italienisch und Deutsch. Die Bündner Gesangsgruppe Furbaz landete mit «Viver senza tei», dem bis heute einzigen Lied auf Rätoromanisch an einem ESC, auf dem 13. Platz von 22. Gewonnen wurde der Wettbewerb von Jugoslawien mit dem Lied «Rock me» von der Gruppe Riva.

Für Diskussionen sorgte der sieben Minuten lange Eröffnungsfilm – dem längsten in der ESC-Geschichte – in dem die Kinderbuch-Figur Heidi die Sehenswürdigkeiten der Schweiz bereist. Insgesamt dauerte es 20 Minuten, bis der erste Beitrag vorgestellt wurde. Eine Panne passierte auch im Pausenprogramm, als der Pfeil von Willhelm Tell den Apfel knapp verpasste und der gelungene Versuch aus der Generalprobe eingespielt werden musste.

Weil Frankreich in Lausanne ein elfjähriges Mädchen und Israel einen zwölfjährigen Jungen ins Rennen schickten und dies in der Folge öffentliche Kritik einbrachte, setzte die EBU das Mindestalter für Interpret:innen neu auf 16 Jahre. 

Die ESC-Durststrecke

1991 schaffte es die damals 22-jährige Sandra Simó (heute Studer) in Rom mit «Canzone per te» auf den 5. Platz. Sie lancierte damit auch ihre Laufbahn als Moderatorin bei SRF. 1993 folgte für Sängerin Annie Cotton in Irland mit Platz 3 die beste Platzierung seit dem Sieg 1988. Dies sollte der vorerst letzte erfolgreiche Beitrag der Schweiz sein. In den Jahren danach folgte ein regelrechter Absturz.

Der Beitrag 1994 erreichte nur das untere Mittelfeld mit Platz 19 von 25. Diese Platzierung hatte Konsequenzen, denn durch die vielen neuen Teilnehmerländer durften nur die Plätze 1 bis 18 am Wettbewerb teilnehmen. Die Schweiz musste 1995 somit aussetzen und fehlte erstmals seit seiner Einführung 1956 im Wettbewerb. Die Schweiz war bis 1994 zusammen mit Deutschland das einzige Land, das an allen bis dahin durchgeführten Wettbewerben teilgenommen hatte.

Der Tiefpunkt folgte 1998, als Sängerin Gunvor Guggisberg mit «Lass ihn» auf dem letzten Platz landete und null Punktebekam. Sie erhielt damit die schlechteste Platzierung der Schweiz seit 1974.  
Daher musste das Land 1999 bereits zum zweiten Mal aussetzen. 2000 durfte die Schweiz zwar wieder teilnehmen, belegte dort mit Jane Bogaert aber nur Platz 20 von 24 und musste somit 2001 erneut aussetzen. Dasselbe 2002, als Francine Jordi Platz 22 von 24 erreichte, so dass 2003 wieder kein Schweizer Beitrag teilnehmen durfte.

Als die Schweiz 2004 mit Piero Esteriore & The MusicStars und dem Song «Celebrate!» zurückkehrte, schied sie mit null Punkten bereits im neu eingeführten Halbfinale aus. Mittlerweile war es bereits das fünfte Mal, dass die Schweiz Letzte wurde. Im Folgejahr setzte man auf die estnische Gruppe Vanilla Ninja, die mit «Cool Vibes» prompt den achten Platz von 24 erreichte.

Dies blieb für einen längeren Zeitraum die bisher letzte Schweizer Platzierung unter den besten Zehn, denn in den darauffolgenden Jahren wurde die Schweiz eines der erfolglosesten Länder im Wettbewerb.

Francine Jordi probt für den ESC 2002 ©Keystone / Alastair Grant

DJ Bobo und die Vampire

2007 startete DJ Bobo am ESC in Helsinki. Sein Song «Vampires are alive» wurde rasch als Favorit gehandelt, sorgte aber auch für Aufregung. Die Eidgenössisch-Demokratische Union EDU reichte gar eine Petition mit 50'000 Unterschriften gegen Bobos Song bei der Bundeskanzlei in Bern ein. Der Musiker verletze mit seinem «satanisch inspirierten Lied» religiöse Gefühle und die Regierung müsse deshalb «zur Wahrung des öffentlichen Friedens» einschreiten, so die EDU. Auch die Evangelische Allianz wehrte sich gegen den Song mit der Begründung, dass dieser vor allem bei seelisch angeschlagenen Jugendlichen und Menschen in schwierigen Lebensumständen gesundheitliche Folgen haben könne. DJ Bobo startete trotzdem mit dem Song – und schied aber bereits im Halbfinale auf Platz 20 von 28 aus.  

DJ Bobo mit seiner Ehefrau Nancy Baumann (links) am ESC 2007 ©Keystone

2010 folgte ein weiterer Tiefpunkt: Michael von der Heide startete in Oslo mit «Il pleut de l’or» – es regnete aber kein Gold: Am Ende belegte er den letzten Platz im Halbfinale und schied aus. 2011 nahm Anna Rossinelli am ESC in Düsseldorf teil mit dem Lied «In Love for a While» – sie schaffte es zwar ins Finale, ging dort aber mit nur 19 Punkten unter und belegte den letzten Platz. Auch 2012 und 2013 verpassten die Schweizer Beiträge dann wieder das Finale. 2014 hingegen platzierte sich der Sänger Sebalter im Halbfinale auf Platz 5 und brachte somit das Land erstmals seit drei Jahren zurück ins Finale. Dort schaffte er es aber dann bloss auf Platz 13. In den folgenden Jahren reichte es weiterhin bloss für Plätze im Mittelfeld.

Luca Hänni und der neue Selektionsprozess

Ab 2019 setzte die Schweiz auf einen neuen internen Selektionsprozess: Der Schweizer Beitrag wurde nun erstmals in einem mehrstufigen Selektionsprozess durch Publikums- und Fachjurys bestimmt. Neben einer Schweizer Zuschauer:innen-Jury bestimmen in mehreren Auswahlrunden seit 2023 auch internationale Publikumsjurys mit, wer die Schweiz mit welchem Song am ESC vertritt. Dieser neue Prozess sollte sich bezahlt machen: Erster Künstler dieses neuen Verfahrens war Luca Hänni. Er startete 2019 in Tel Aviv mit dem Lied «She Got Me». «Mach uns lucky, Luca!» titelte der Blick. Und Luca Hänni lieferte ab: Er belegte schon im Halbfinale den 4. Platz und holte sich schliesslich im Finale dieselbe Platzierung. Ausserdem erreichte die Schweiz mit diesem Beitrag die bis dahin höchste Punktzahl ihrer Eurovisions-Geschichte.

Luca Hänni am ESC 2019 ©Keystone

Die Schweiz ist zurück

2020 musste der ESC wegen Covid-19 abgesagt werden. Der bereits ausgewählte Fribourger Sänger Gjon’s Tears konnte deshalb mit «Répondez-moi» nicht antreten, durfte dann aber 2021 mit dem Song «Tout l’univers» in Rotterdam starten. Dabei erreichte er den sensationellen ersten Platz im Jury-Voting und den dritten Platz insgesamt. Auch 2022 schaffte die Schweiz mit Marius Bear und «Boys do cry» den Finaleinzug und – mit Platz 17 reichte es dann jedoch nur für eine Platzierung im unteren Mittelfeld. Besonders frustrierend war, dass die 78 Punkte alleinig von den Juries stammten – von den Zuschauenden gab es null Punkte.

Gjons Tears am ESC 2021 ©Keystone

Der neue Selektionsprozess schien sich aber definitiv zu bewähren: Auch 2023 zog die Schweiz mit Remo Forrer und dem Song «Watergun» erneut ins Finale ein – wo man dann aber mit Platz 20 das bislang schlechteste Ergebnis seit 2019 erzielte.

ESC: Die besten, legendärsten und lustigsten Schweizer ESC-Auftritte 

Fazit bisher

Insgesamt landeten 25 von den 60 Schweizer Beiträgen in der vorderen Tabellenhälfte. Mit neun letzten Plätzen, davon viermal mit null Punkten, zählt die Schweiz zu den Ländern, die am häufigsten Letzter wurden. Mit nur fünf Finalteilnahmen seit Einführung des Halbfinales im Jahr 2004 ist die Schweiz zusammen mit Lettland das Land, das am häufigsten (elfmal) im Halbfinale ausgeschieden ist. Trotzdem konnte das Land bisher zwei Siege einfahren sowie dreimal Platz 2 (1958, 1963, 1986) und viermal Platz 3 (1961, 1982, 1993, 2021) belegen. Mit 60 Teilnahmen zählt die Schweiz ebenfalls zu den Ländern mit den häufigsten Teilnahmen. Zudem hat die Schweiz bisher nie auf eine Teilnahme verzichtet, musste aber 1995, 1999, 2001 und 2003 wegen schlechter Vorjahresplatzierungen aussetzen. Trotzdem ist die Schweiz damit im Durchschnitt eines der erfolgreichsten Länder beim Wettbewerb.

ESC-Beiträge in den Schweizer Charts

Viele Schweizer Beiträge waren keine grossen kommerziellen Erfolge: Der Siegertitel «Ne partez pas sans moi» von Céline Dion schaffte es in der Schweiz nur auf Platz elf in den Singlecharts. 1956, zur Zeit des Siegertitels «Refrain» von Lys Assia existierten noch keine Schweizer Single-Charts. Insgesamt erreichten nur 26 der 60 Beiträge die Charts, davon zehn die Top 10. Kommerziell am erfolgreichsten war 1977 der Beitrag «Swiss Lady» der Pepe Lienhard Band, der bis 2019 auch als Einziger Platz eins der Schweizer Single-Charts erreichte.

Sehr erfolgreich war auch Simone Drexel 1975 mit «Mikado» auf Platz zwei, gefolgt von DJ BoBo 2007 mit «Vampires Are Alive» und Anna Rossinelli 2011 mit «In Love for a While», beide Top 3. 2014 kam Sebalter mit «Hunter of Stars» auf Platz 6 der Charts. Übertroffen wurde dies erst wieder 2019 als Luca Hänni auf Platz eins der Charts landete – der erste Nummer-eins-Hit seit 1977. Nachdem sich Gjon’s Tears trotz Absage des Contests 2020 mit Platz 100 ganz knapp in den Charts platzieren konnte, stieg sein Beitrag 2021 direkt auf Platz 1 ein, dies jedoch erst eine Woche nach dem Contest. Zeitgleich kehrte sein Vorjahreshit «Répondez moi» wieder zurück in die Charts, diesmal auf Platz 42.

Und jetzt Nemo

Am 11. Mai 2024 konnte Nemo (25) aus Biel im grossen Finale im schwedischen Malmö als Vertretung der Schweiz den ESC mit einer grossartigen Performance gewinnen. Nemo setzte sich vor 9000 Zuschauer:innen in der Arena und geschätzten mehr als 150 Millionen Zuschauer:innen weltweit vor den Bildschirmen gegen die Konkurrenz durch und gewann mit dem Song «The Code». Nemo nach dem Sieg: «Dieser Sieg gehört nicht nur der Schweiz und der Schweizer Musikszene, er ist vor allem auch ein Sieg für die ganze LGBTQIA+-Community. Ich bin so stolz, als erste nonbinäre Person den ‹ESC› gewonnen zu haben!» 

Nemo hat sich 2023 als non-binär geoutet und nutzt deshalb keine Pronomen in Deutsch, Französisch und Italienisch. 2016 wurde Nemo in der Schweiz im Rap-Genre über Nacht berühmt, als der Auftritt bei SRF Virus (#Cypher) in den sozialen Medien viral ging.

Mit 18 Jahren gewann Nemo in einer Nacht vier Swiss Music Awards (SMA), nachdem Nemo bereits ein Jahr zuvor eine SMA-Auszeichnung als «SRF 3 Best Talent» mit nach Hause nehmen durfte.

Nemo mit dem Siegerpokal am ESC 2024 ©Corinne Cumming / EBU

Nemos Song «The Code» wurde 2023 im Rahmen eines ESC-Songwriting-Camps geschrieben, das von der Verwertungsgesellschaft Suisa in Zusammenarbeit mit Pele Loriano Productions organisiert wurde. Komponiert wurde das Werk von Nemo, Lasse Nyman, Linda Dale und Benjamin Alasu. Die Creative Direction übernahm Nemos Schwester, die Fotografin und Creative Directorin, Ella Mettler (22). Der Song «The Code» verbindet die Musik-Genres Rap, Drum ‘n’ Bass und Oper. Nemo zum Song: «In ‹The Code› geht es um die Reise, die ich mit der Einsicht begann, dass ich weder ein Mann noch eine Frau bin. Der Weg zu mir selbst war für mich ein langer und oft schwieriger Prozess. Es ist eine unglaubliche Ehre, die Schweiz am ‹ESC› repräsentieren zu dürfen. Die Plattform Eurovision bietet eine riesige Chance, Brücken zwischen unterschiedlichen Kulturen und Generationen zu bilden. Deshalb ist es mir sehr wichtig, als genderqueere Person für die ganze LGBTQIA+ Community einzustehen.»

Staging Director war der schwedische Choreograph und Theater-Direktor Benke Rydman. Er verantwortete 2016 schon das Staging des schwedischen Acts Mans Zelmerlöw mit «Heroes», der den ESC 2016 gewann.

Der ESC 2025 in der Schweiz

Der ESC wird 2025 aufgrund des Siegs von Nemo in der Schweiz stattfinden. Für die SRG ist es eine grosse Ehre und Verantwortung, den grössten Musikevent der Welt organisieren und durchführen zu dürfen. Die Vorbereitungsarbeiten hatten bereits am Sonntag nach dem Sieg noch in Malmö begonnen. Eine SRG-interne Task Force begann umgehend mit den ersten Arbeiten, in einem ersten Schritt mit Fokus auf den anspruchsvollen Prozess der Auswahl der durchführenden Stadt.

Hier gibt’s noch mehr Informationen zum ESC: